Derbypleite als Wendepunkt

Die Fußballer des SSV Homburg-Nümbrecht spielen nach einer Rekordsaison eine durchwachsene Landesligahinrunde – Nach der Niederlage beim Lokalkonkurrenten FV Wiehl ging es aufwärts.

Von Thomas Giesen

Die Erwartungshaltung war riesig. Nach einer Rekordsaison, in der die Fußballer des SSV Homburg-Nümbrecht ganze 18 Spieltage auf dem zweiten Tabellenplatz der Landesliga verbrachten, mit 61 Punkten eine neue Bestmarke aufstellten und erst auf der Zielgeraden den Aufstieg in die Mittelrheinliga verpassten, herrschte Euphorie im Verein und dessen Umfeld. Befeuert von teils hochkarätigen Neuverpflichtungen sowie Top-Talenten aus unteren Klassen, sahen wohl viele Nümbrechter Anhänger das Team schon auf dem Weg, den Gang in die höhere Klasse ein Jahr später zu realisieren. Doch ganz so einfach war die Sache dann doch nicht. SSV-Trainer Torsten Reisewitz hatte die richtige Vorahnung und meinte kurz vor Beginn der neuen Spielzeit, dass man wieder bei null anfange und die Ergebnisse der Vorsaison nicht viel zu bedeuten hätten.

„Wie vor jeder neuen Saison werden die anderen personell auf einem höheren Niveau nachlegen können als wir. Da sind wir nicht der Favorit“, erklärte der Coach unmittelbar nach dem Ende der vergangenen Spielzeit und sollte damit recht behalten. Kein Wort mehr vom Mittelrheinliga-Aufstieg, sondern, wie vor jeder anderen Spielzeit zuvor, stand zunächst die Sicherung des Klassenerhalts im Fokus. Ein Platz unter den ersten Sieben der Tabelle hatte er als bescheidenes Saisonziel ausgegeben.

Tiefstapelei wird ihm so mancher unterschwellig vorgeworfen haben, angesichts der Verpflichtung des 21-jährigen Innenverteidigers Meikel Harder, Kapitän des FV Wiehls, der den scheidenden Mannschaftsführer Jan Luca Krämer ersetzte, und des 19-jährigen Felix Sievers, Wiehls bestem Torschützen, denen jeweils Mittelrheinligapotenzial zugeschrieben wurde. Zudem griff man sich mit den Offensivspielern Dean-Robin Paes, Niklas Goße und Marc Engelbert die wohl begehrtesten Spieler aus den Kreisligen A und B und holte sich damit echte Tormaschinen in den Kader. 109 Treffer erzielten die drei Neuverpflichtungen insgesamt in der Vorsaison.

[Meikel Harder (links) wurde vom FV Wiehl verpflichtet und ersetzte Jan Luca Krämer.]

Mehr Variabilität in der Offensive und vor allem mehr „Speed“ im Umschaltspiel erhofften sich die Nümbrechter nun. Von mehr Breite im Kader ganz abgesehen. Aber auch Reisewitz hat die Herausforderungen nach der Rekordsaison, trotz aller „Tiefstapelei“, unterschätzt, wie er einräumt. „Der neue große Kader hat nicht so funktioniert, wie der vorher. Es hat sich gezeigt, dass die Mannschaft erst zusammenwachsen muss. Zwei Jahre zuvor war das auch so. Da sind wir nach mehreren Änderungen erst nur Zwölfter geworden. Ein Jahr später waren wir dann Dritter. In dieser Saison sind wir bisher nie in so einen Flow gekommen, haben uns gegen Ende des Jahres aber stabilisiert und kein Spiel mehr verloren“, erklärt der Coach, der zunächst einen perfekten Start in die neue Saison feierte. An seinem 50. Geburtstag besiegte der SSV den Gastgeber 1. FC Spich mit 4:1 und man schien nahtlos an die Erfolgsstory der Vorsaison anknüpfen zu können.

Die folgende 1:5-Klatsche auf eigenem Platz gegen den Meisterschaftsanwärter SSV Merten riss dann jedoch jeden Träumer aus dem Schlaf und offenbarte, dass die Nümbrechter wohl nicht zum engsten Favoritenkreis gehören dürften. Es folgte ein Auf und Ab, ehe man sich Anfang Oktober im Flutlichtderby dem Lokalkonkurrenten FV Wiehl geschlagen geben musste. Ein Tiefpunkt für Reisewitz, der nach der Pleite seinem Ärger Luft machte: „Da muss man überlegen, ob ich hier noch der Richtige bin“, grummelte der Coach nach der Analyse der Niederlage noch auf dem Spielfeld.

„Das Derby war ein Spiegelbild des bisherigen Saisonverlaufs. Wir hatten mehr Torschüsse als Wiehl und hätten das Spiel nicht verlieren dürfen. Aber der eigentliche Grund für den Ärger war: Ich hasse es, wenn man nicht mit 100 Prozent Leidenschaft auf dem Platz ist“, erklärt er den emotionalen Ausbruch, der sich schnell wieder verflüchtigte. „Die Niederlage war dann aber super für uns. Wir haben in der Woche danach mehr gesprochen, als trainiert und sind extrem zusammengerückt. Danach wurden unsere Leistungen deutlich besser“, sieht Reisewitz den Nackenschlag als Wendepunkt.

[Dean-Robin Paes (rechts) heuerte nach einer überragenden Kreisliga A-Saison mit 36 Toren in Nümbrecht an.]

Anschließend kassierten die Nümbrechter noch lediglich eine Niederlage – beim überraschend konstant aufspielenden und extrem heimstarken Aufsteiger SSV Bornheim – und setzten sich im Verfolgerfeld der Tabelle fest. 30 Zähler holte der SSV in der Vorjahreshinrunde in 15 Spielen, 22 Zähler in 14 Spielen in der jüngsten Hinserie. „Zieht man das eine Spiel ab, dann sind wir nur fünf Punkte dahinter und wir hatten diesmal nicht so eine brutale Siegesserie. In Summe stehen wir jetzt da, wo wir hingehören“, ordnet Reisewitz den Zwischenstand ein. „Die Einstellung, dass egal was auch passiert, die Punkte bei uns bleiben, hatten wir in keinem Spiel. Nur wenn wir das von der ersten bis zur 90. Minute hinkriegen, gehören wir in der Tabelle auch oben mit rein. Damit es für ganz oben reicht, muss alles greifen.“

Reisewitz hat bereits ein Auge auf die nächste Spielzeit geworfen. Sein Vertrag ist verlängert und ein Großteil der Gespräche mit seinen Spielern abgeschlossen. Deren 15 hätten bereits zugesagt, dem SSV treu zu bleiben. „Noch wichtiger ist, dass kein Spieler auf mich zugekommen ist und mitgeteilt hat, dass er wechseln will. Damit bin ich super zufrieden“, sagt er. Aktuell gibt es allerdings noch eine Großbaustelle. Nach dem Abgang von Tom Geßner zum Mittelrheinligisten Eintracht Hohkeppel wird händeringend nach einem Torwart gesucht. „Wir haben einige angefragt, aber ohne Erfolg. In der Winterpause ist das schwierig. Da müssen wir improvisieren, um den Trainingsbetrieb aufrechtzuerhalten.“

Quelle: www.Oberberg-aktuell.de